Sprachlos im Netz oder vernetzt durch
Sprache?
von Marion Fugléwicz
Der dyonisische Mensch ...besitzt die Kunst der
Kommunikation im höchsten Maße. Er dringt in jede Haut, in jede
Emotion, er transformiert sich kontinuierlich.
Wie läßt sich Kommunikation zwischen
Mensch und Maschine definieren? Wo sind die Gemeinsamkeiten zwischen
Gehirnfunktionen und Computerfunktionen? Gibt es künstliche Intelligenz?
Oder etwa Zusammenhänge zwischen Kunst, (KÜNST-licher) Intelligenz
und Informationsverarbeitung? Fragen, die man vielleicht auf ersten Blick der
Philosophie zuordnet. Das wechselseitige Interesse von Philosophie und
Computerwissenschaften füreinander wächst. Vor allem für die
Informatik, die sich als Ingenieursdisziplin mit der Entwicklung von Maschinen
für die Anforderungen der Anwender befaßt, werden zusehends
Problembereiche relevant, die gewöhnlich in der Philosophie untersucht
werden.
Vernetzung hat viele Gesichter. Nicht
notwendigerweise denkt man dabei zuerst an Computer.
,,Nach einer Zeit des Verfalls kommt die
Wendezeit...Altes wird abgeschafft, Neues wird eingeführt, beides
entspricht der Zeit und bringt daher keinen Schaden.“ Mit diesen Worten
aus dem alten chinesischen Weisheitsbuch ,,I Ging" beginnt der Physiker
und Philosoph Fritjof Capra eines seiner Hauptwerke - das Buch
,,Wendezeit" mit dem Untertitel ,,Bausteine für ein neues
Weltbild".
Capra, wiewohl einer der führenden Darsteller
des wissenschaftlich-ganzheitlichen Denkens, ist aber nur einer von vielen
Naturwissenschaftern, Philosophen und Psychologen, die sich nunmehr seit den
Siebzigerjahren mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das technologische
Zeitalter unser Weltbild verändert. (1)
Es sei den Naturwissenschaftern unseres
Jahrhunderts keineswegs leichtgefallen, die neue Sicht des physikalischen Universums zu akzeptieren, sagt
Capra. Nun gehen ja bekanntlich politische, gesellschaftliche oder wissenschaftliche
Umbrüche immer mit Krisen einher.
An Lösungsmodellen solcher Krisen wird
allerdings in den Gehirnen der Wissenschafter im Computerzeitalter auch schon
fleißig gebastelt: ,,Vernetztes Denken" lautet ein Schlagwort, das -
über eine populärwissenschaftliche Komponente hinaus - eine echte
Alternative darstellt zum jahrhundertelangen Schulenstreit der Fakultäten.
Man muß allerdings mit diesem Begriff etwas vorsichtig umgehen: Zur Zeit
ist es nämlich immer noch so, (da das ,,vernetzte Denken" ja bislang nur
von einigen Wenigen in der Praxis umgesetzt wird), daß jeder etwas
anderes darunter versteht. Was macht nun „vernetztes Denken“ aus
und wie hängt es mit der Sprache zusammen? Einen Teil dieser -
äußerst komplexen - Frage bemühe ich mich, in diesem Text zu
beantworten.
Cognitive Science - Information und Verhalten
In der Kognitionswissenschaft (Cognitive Science)
etwa wird der Mensch unter dem Aspekt der Informationsverarbeitung studiert.
Wozu Kognitionswissenschaft? - Die Computerwissenschaft wäre ohne
Kognitionstheorie nicht denkbar. Sie hat sich in den Vereinigten Staaten aus
den Bereichen Linguistik, Künstliche Intelligenz, Philosophie und
Psychologie entwickelt und ist dort eine fix etablierte Wissenschaft. Als
eigenes Fach wird sie in ôsterreich noch nicht verstanden, dennoch setzen
sich Geistes- und Naturwissenschaftler auch hierorts vermehrt mit ihr
auseinander. Vom psychologischen Ansatz her dem Behaviorismus (einer Schule,
die sich mit dem menschlichen Verhalten beschäftigt) verhaftet, erfährt
diese Disziplin durch den Computer ein besseres Verständnis.
Ein Anliegen der Kognitionstheoretiker ist die
Interdisziplinarität: Es ist wichtig, daß Disziplinen wie
Psychologie oder Philosophie in den Computerwissenschaften Einzug halten,
beziehungsweise sollte die Informatik als „Hilfsmittel“ angesehen,
aber nach philosophisch-(psycho-) logisch-linguistischen Modellen vorgegangen
werden. Soweit der Anspruch der Kognitionstheoretiker. Die Spezialisierung auf
einzelnen Wissensgebieten ist - vor allem in den Vereinigten Staaten - schon so
weit fortgeschritten, daß es scheint, man könne nicht mehr
zurück. Im Gegenzug soll durch die Cognitive Science ein mehrdimensionaler
Ansatz möglich werden.
Sprache und Programm
Die Interaktionsform zwischen Mensch und Computer
muß allenfalls den menschlichen Bedürfnissen angepaßt werden,
und nicht umgekehrt die Bedürfnisse den Maschinen. So etwa könnte ein
Postulat der Kognitionstheoretiker lauten, das dem Menschen helfen soll, sich
nicht dem Diktat der Maschine zu unterwerfen.
Die Gemeinsamkeit zwischen Realität und
Sprache ist die logische Struktur, sagt der österreichische Philosoph
Ludwig Wittgenstein, der in diesem Bereich bahnbrechend war. Diesen Gedanken
greift die Kognitionstheorie auf und spinnt ihn weiter. Der Forschungsansatz
der Cognitive Science muß in einem gewissen Sinn darin bestehen,
daß man ein vernünftiges Konzept von informationsverarbeitenden
Systemen entwickelt: Ein Konzept, das gewissermaßen beiden Seiten (also
der technischen und der philosophisch-reflexiven) gerecht wird. Nehmen wir etwa
irgendein informationsverarbeitendes System, dem - aus der Sicht des Anwenders
- beobachtete, beziehungsweise bekannte Sachverhalte eingegeben werden. Diese
werden system-atisch ausgewertet, sodaß der Anwender schließlich
Informationen über die gesuchten, neuen Sachverhalte erhält. Das
Interesse der Informatik an philosophischen Fragestellungen ist nun eigentlich
eine Konsequenz aus den Anforderungen, die von den Anwendern - zum Teil
Wissenschaftern anderer Disziplinen - an sie herangetragen werden. Es
orientiert sich am Bedürfnis des Menschen, seine Kenntnis der Welt zu
erweitern, davon geht zumindest die Philosophie aus. Dieses Interesse ist
Informatikern oder Programmierern allerdings in den seltensten Fällen als philosophisches
bewußt.
Wie ist nun ist das Netzwerk des menschlichen Gehirns mit seinen
Programmen und Systemen aufgebaut?
Menschen sind in ihrem Verhalten (vor-) programmiert, haben quasi
unterschiedliche Betriebssysteme. Analogien mit Computer-Programmen liegen
nahe. Etwas später werde ich versuchen, einen kurzen Abriß über
ein Kommunikationstraining namens NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren)
sowie verschiedene andere systemische Ansätze darzustellen.
Viele Computer-Anfänger, aber auch erfahrene
Fachleute erliegen einem grundlegenden Fehler: Sie vergessen in der
Kommunikation mit der Maschine, mit „wem“ sie reden. Ein
Phänomen, das durch das Internet und seine Anwendung extrem verstärkt
wird. So mancher Anwender läßt sich schnell zu der irrigen Annahme
verleiten, der Computer „wüßte“ was er tut. Es gibt
Studien, die nachgewiesen haben, daß Menschen mit dem Computer
„reden“ wie mit einem Partner.
Das Arbeiten eines Menschen an einer Maschine, die
Anzeigen über Systemzustände als Feedback liefert, wird - meines
Erachtens nach leichtfertigerweise - als Mensch-Maschine-Kommunikation
bezeichnet. Dem liegt ein simplifiziertes Sender-Code-Empfänger-Modell
zugrunde, das wesentliche Phänomene nicht berücksicht, wenn man es
auf sprachliche Kommunikation anwendet. Die Bezeichnung
„Computersprache“ etwa ist prädestiniert,
Mißverständnisse und Fehler hervorzurufen. Die philosophische
Diskussion, die sich daraus ergibt, ist die der "Intentionalität"
des kommunikativen Handelns: Die Maschine hat keinen freien Willen, sie ist
angewiesen auf die Intention (Absicht) des Systementwicklers.
Wünschenswert könnte natürlich sein,
ein Software-System dahingehend zu entwickeln, daß es fähig wird,
Befehle so zu interpretieren, daß sie „sinnvoll“ werden. Eine
solche Interpretation würde allerdings voraussetzen, daß das System
mit „gesundem Menschenverstand“ ausgestattet wäre, und
darüberhinaus über vollkommenes Wissen von der Absicht des
Programmierers verfügte.
Das Bewußtsein, eine Maschine vor sich zu
haben, sollte also weder ein Programmierer noch ein „gemeiner
Anwender“ aus den Augen verlieren. Der Umgang mit der Maschine wird dem
geübten Programmierer aufgrund der gewohnten Strukturen vielleicht
vertrauter sein als dem durchschnittlichen PC-Benutzer.
An diese Überlegungen knüpft sich nun
für mich die Frage, ob Programmierer durch ihre ständige
Auseinandersetzung mit logisch rationalen Problemen, generell andere
Denkstrukturen haben, als andere Menschen.
Wenn man über Jahre hinweg mehrere Stunden
täglich mit dem Computer „kommuniziert“, liegt es
schließlich nahe, daß das irgendwelche Konsequenzen auf die
Gehirnstrukturen solcher Menschen haben könnte. Und wie ist das mit der
Internet-Kommunikation?
„Im Mensch-Maschine-Kommunikationssystem
werden wir es noch soweit bringen, daß uns der Computer (das Netz?) das
ganze Denken abnehmen muß“, würde ein
Kognitionswissenschaftler nun wohl bemerken. Der „gemeine Software-Anwender“
erwartet im allgemeinen, von seinem Programm Problemlösungen zu erhalten;
sodaß er also nurmehr die Problemstellung durch die Eingabeparameter
konkretisiert. Das Zustandekommen eines möglichen Ergebnisses freilich
kann er im Detail nicht mehr überblicken.
Wirken sich derlei Sachverhalte auch auf den Alltag
eines Programmierers aus? Beziehungsweise handelt ein Programmierer
„programmatisch“? Und wenn ja, handelt nicht eigentlich jeder nach
gewissen Verhaltensmustern? Ist ein Muster ein Programm? Können wir lernen,
unsere Programme so zu verändern, daß wir schneller denken
können? Oder anders? Entziehen sich gewisse Aspekte unseres Denkens
unserer Kenntnis?
Vielleicht hilft folgender Abriß dabei, diese
Fragen zu beantworten.
Unerläßlich für die
Persönlichkeitsbildung von Computerexperten und Managern hält etwa
Herbert Pietschmann, Ordinarius für Theoretische Physik in Wien und Lehrer
Fritjof Capras, Kommunikationsübungen. Darunter sind sowohl die Methoden
der Gruppendynamik und des Führungstrainings als auch die Psychoanalyse zu
verstehen.
Amerikanische Systemanalytiker, Projektmanager und
Organisatoren wissen längst, daß „reine Techniker“ keine
Zukunft haben. Die idealen EDV-Leiter sollten - so schlagen etwa
Beratungsfirmen seit Jahren vor - breite Geschäftserfahrung mit der
Detailliebe des Technikers vereinbaren - am besten kombiniert mit
journalistischem, philosophischem oder wirtschaftlichem Hintergrund.
Die in den letzten Jahren oftmals zitierte ,,New
Age" oder ,,Light Age"-Strömung entstand in den Siebzigerjahren
in den Vereinigten Staaten. Von der Westküste ausgehend forderte man da
plötzlich ganzheitliche Ansätze in der Medizin; die Psychologie wurde
eine ,,humanistische"; spirituelle und esoterische Bewegungen sprossen aus
dem von der Hippie-Generation locker aufbereiteten Boden.
Dieses Bewußtsein war - laut Capra - kein
politisches, sondern ein rein geistiges. Die Umwelt-, Frauen- und
Bürgerrechtsbewegung im Lichte des Vietnamkrieges entwickelten sich
parallel dazu.
Eine wichtige Rolle für die
Verknüpfungs-Visionen, die - spätestens seit damals sowohl Geistes-
als auch Naturwissenschaften durchströmen, wird zukünftig auch dem
Ausbildungsbereich zukommen. Eine Verbreiterung des Horizontes wird in allen
Disziplinen notwendig sein.
Der systemische Mensch
Wie kommt es eigentlich, daß wir in manchen
Situationen beweglich und reich an Möglichkeiten sind und in anderen
hilflos und unbeweglich? Ist es möglich, Kommunikation so lehr- und
lernbar zu machen wie ein Handwerk? Unsere Worte können - wie ein
Knopfdruck - bestimmte Programme in uns in Gang setzen, die in unserem Gehirn,
der „Festplatte“ gespeichert sind und dort ruhen, bis sie aktiviert
werden. Von diesem Modell geht NLP aus. Eine der Methoden, die - ebenso an der
amerikanischen Westküste, nahe dem Silicon Valley und damit nicht nur
inhaltlich, sondern auch geographisch nahe den Computer- und
Kognitions-Wissenschaften - entwickelt wurden. Das wenig aussagekräftige
Kürzel steht für Neuro-Linguistisches Programmieren und weckt solchermaßen
sofort die Assoziation zur Computerwelt. Dahinter verbirgt sich eine ungemein
attraktive und effiziente Therapie-, Trainings- und Kommunikationsmethode. Sie
basiert auf dem simplen Tatbestand, daß jeder Mensch permanent mit
bestimmten Verhaltens- und Kommunikationsmustern konfrontiert ist - sowohl den
eigenen, als auch denen anderer Menschen. NLP versucht, diese Muster
darzustellen, korrigierend einzugreifen und dadurch seinen
„Anwendern“, um in der Computersprache zu bleiben, zu glücklicherem,
zufriedenerem und erfolgreicherem Er-Leben zu verhelfen.
Die Verbindung der intuitiven und kreativen Methode
zur Natur-Wissenschaft ist zweifellos gegeben: Das Wort Neuro zeigt an,
daß Worte und Informationen neurologisch gespeichert werden. Linguistisch
steht für Sprache - es wird untersucht, welche (Zusatz-) Informationen
beim Gebrauch der verschiedenen Worte bewußt transportiert oder
unbewußt weggelassen werden. Programmieren steht für die
verschiedenen inneren Denkprozesse, die für unser zwischenmenschliches
Verhalten entscheidend sind. Manche Menschen denken primär in Bildern,
andere in Worten oder Gefühlen. NLP geht davon aus, daß in jedem
Menschen eine eigene innere subjektive Wirklichkeit vorhanden ist. Stimmen wir
dieser Annahme einmal zu, so sollte der Entdeckung der eigenen inneren
Landschaft - die NLP-isten sprechen auch von inneren Landkarten - nichts mehr
im Wege stehen.
Gefangen im Netz...
Wenn Menschen nun in ihren Verhaltensweisen
vor-programmiert sind, so könnten Sie, geschätzter Leser, jetzt
fragen, scheint die freie Willensentscheidung, die Software-Parameter im
nachhinein zu verändern, äußerst fragwürdig. Und
vielleicht liegt darin einer der Hauptunterschiede zwischen Mensch und
Maschine: Es genügt nicht, Mechanismen von Dingen und Phänomenen
bloß zu beschreiben, wir müssen sie spüren, sie in ihrem Wesen
erfassen und annehmen. Geradezu bezaubernd erscheint dabei die Verbindung von
Neuschöpfung -Kreation und System.
Mag. Peter Schütz (2) spricht vom Modell des
NLP. Modell deswegen, weil der Anspruch einer Theorie schon die
„Wissenschaftsarroganz“ beinhaltet. Es gibt mehrere Ebenen; eine
davon ist das reine Sinnessystem. Es scheint aber auch inhaltliche
Konfigurationen für Formen oder Gegenstände und auf einer weiteren
Ebene solche für Beziehungen zu geben. Sodaß man sich fragen kann -
welche Beziehung Beziehungen regt bei mir welche Assoziationen an? NLP arbeitet
mit Erinnerungen, Wahrnehmungen und inneren Zuständen. Es gibt auch
Meta-Programme, die darauf hinweisen, wie Gedanken sortiert werden.
...oder freie Willensentscheidung?
Stellt man sich eine Art Kugel mit konzentrischen
Schichten vor, so enthält die innerste die sogenannten
Submodalitäten, also die Eigenschaften der Sinnessysteme, dann diese
selbst, darüber kommen die Konstrukte daraus, also deren Inhalte;
darüber stülpen sich Beziehungen zu Personen und darüber
Beziehungen von Beziehungen. Kaum ein Computerprogramm kann komplizierter sein.
Je nachdem, wie die menschliche Festplatte formatiert wird, also die
Kindheits-Prägungen gelagert sind, liegen die Schwerpunkte menschlicher
Wahrnehmung später mehr in der einen oder anderen Richtung. Eine Art
„Unter-Betriebssystem“, das auf Übereinstimmung taktet,
bestimmt - durch Ab- und Ankoppeln von Bild an Ton oder Sprache an Gefühl -
wie Menschen ihre Umwelt oder auch ihre innere Welt erleben. Ein Bauteil dieses
Systems ist die Fähigkeit, auf „assoziierten oder dissoziierten
Betrieb“ umzuschalten. Diese Fähigkeit läßt sich erlernen
und ausbauen. Den größten Teil des Speichers im Gehirn nehmen
bekanntlich die sogenannten „hidden files“ ein - das
Unbewußte. Diese Dateien können - wie etwa in einer relationalen
Datenbank - über sehr unterschiedliche Parameter angesprochen werden. Die
starke Anmutung der NLP-Sprache an die Computerwelt kommt übrigens daher,
daß ein Teil der menschlichen Denkprozesse - nämlich der des
Regelkreises - eine Grundannahme der Kybernetik ist. NLP als Methode ist nicht
nur aus verschiedenen Schulen der Psychologie entstanden, wobei etwa die Arbeit
von Gregory Bateson, Fritz Perls, Virginia Satir und Milton Erickson sehr
maßgebend waren - sondern fußt auch in der Systemtheorie. Auch die
berühmte Watzlawick-Frage nach der Wirklichkeit der Wirklichkeit stellt
einen Konnex zu Welten her, die heute in der Computerindustrie mit den
marketingmäßig vielversprechenden Kürzeln Virtual Reality oder
Interaktivität verkauft werden sollen. Menschen sind interaktiv aufgebaut,
- wenn sie gut miteinander umgehen können, dann macht das Spaß. Spaß
multipliziert sich im Regelfall, wie man (aus zahllosen Versuchen) weiß -
sogar bis zur totalen Erschöpfung.
Eine der Kerntechniken des NLP, das sogenannte
Zielmodell, entspricht in etwa der strukturierten Problemanalyse der
Informatik. Dabei wird ein Ziel definiert und gefragt, welche Sub-Ziele uns
helfen, unser Potential zu leben. Die Methode geht davon aus, daß wir
alles, was wir brauchen, zumindest potentiell schon in uns tragen. Je
attraktiver wir dabei unsere Ziele für uns selbst gestalten, desto
lustvoller werden wir auf sie zugehen.
Das zentrale Bedürfnis des Menschen nach
Kommunikation ist in seinem anatomisch bipolaren Aufbau zu suchen - es gibt
immer zwei Teile, die zusammengehören. Es könnte also ein Grundaxiom
sein, Kontakt zu haben sowie ein gutes Wechselspiel von synchroner und
asynchroner „Taktfrequenz“. Der aristotelische Satz „Der
Mensch ist ein soziales Wesen“ belegte bereits im vierten vorchristlichen
Jahrhundert die menschliche Begierde nach Eingliederung in ein
gesellschaftliches System; der biologische Beweis kann unter anderem in der
Verhaltenswissenschaft - etwa bei Konrad Lorenz - gefunden werden.
Ist es nun aber nicht so, daß das Netz diesem
Ur-Bedürfnis nach Kommunikation - auf gefährliche Weise - Vorschub
leistet? Bietet nicht die maschinelle Einbindung in ein weltweites Geflecht aus
potentiellen Ansprech-Partnern Anlaß zu größter Beunruhigung?
Jean Baudrillard spricht von der Ekstase der
Kommunikation: „Obszönität beginnt dort, wo es kein Spektakel
(mehr) gibt, keine Bühne, kein Theater, keine Illusionen. Dort, wo alles
sofort transparent wird, sichtbar; exponiert im rohen, unerbittlichen Licht von
Information und Kommunikation. Wir spielen nicht mehr mit im Drama der
Entfremdung, wir befinden uns in der Ekstase der Komunikation“. (3)
Das bedrohliche Überangebot des Internet
bietet phantasiebegabten Infoholics nicht nur die Möglichkeit, ihr
Kommunikations-Bedürfnis auszuleben, sondern gaukelt ihnen auch die
ultimative Erfüllung sämtlicher Wünsche - wohlgemerkt auch
irrationaler - vor. Das birgt natürlich die Gefahr in sich, diese
Wünsche auch in der Realität zu behalten, wo sie mit Sicherheit nicht
erfüllt werden (können). Und steckt nicht irgendwo in jedem von uns
ein solcher phantasiebegabter Infoholic? Solange sich dieser über die
Grenzen der Vernetzung bewußt ist, Visionen und Phantasien als solche
definiert und intensiv bei seinem Bruder, dem freien Willen Anleihe nimmt, wird
er den Suchtgefahren allemal widerstehen. Und sollte sich doch einmal ein Faust´scher
„Verweile doch, du bist so schön“-Augenblick einstellen, so
sei der phantasiebegabte Infoholic eingedenk einer Taste, die, wohl auch nicht
von ungefähr, den Namen „Escape“ trägt.
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(1) Fritjof Capra meint in einem Ö1-Interview anläßlich
der Veröffentlichung seines neuesten Buches „Lebensnetz“ Mitte
August 1996: „Wenn wir es nicht schaffen, bis zum Jahr 2030 unsere
ökonomischen Systeme den ökologischen anzupassen, dann wird die
Menschheit nicht überleben, zumindest nicht in der derzeitigen
Form“.
(2) Mag. Peter Schütz ist Therapeut und Trainer. Der Psychologe und
Unternehmensberater ist außerdem Urgroßneffe von Sigmund Freud und
hat - gemeinsam mit dem Neurologen Dr. Helmut Jelem - NLP vor 11 Jahren
„nach Österreich gebracht“.
(3) Quelle: The ecstasy of communication: Jean Baudrillard,
Semiotext(e), published by Autonomedia Brooklyn, New York. Textstelle:
„Obscenity begins when there ist no more spectacle, no more stage, no
more theatre, no more illusions, when everything becomes immediately
transparent, visible, exposed in the raw and inexorable light of information
and communication. We no longer partake of the drama of alienation, but are in
the ecstasy of communication“.
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Weiterführende Literatur:
Fritjof Capra: Lebensnetz. Scherz Verlag. Bern, München, Wien,
August 1996
Fritjof Capra: Wendezeit. Scherz Verlag. Bern, München, Wien, 1985
Werner Künzel und Peter Bexte: Maschinendenken/Denkmaschinen, An
den Schaltkreisen zweier Kulturen, insel tb. Frankfurt und Leipzig, 1996
Peter Glaser: 24 Stunden im 21. Jahrhundert. Onlinesein. Zu Besuch in
der neuesten Welt. Zweitausendeins: Frankfurt am Main, 1995
Ludwig Wittgenstein: Tractatus Logico-Philosophicus.
Logisch-Philosophische Abhandlung.
Paul Watzlawick: z.B. Vom Unsinn des Sinns oder vom Sinn des Unsinns.
Picus Verlag, Wien, 1992
Gregory Bateson: Ökologie des Geistes. Suhrkamp tb, 1985
Umberto Eco: z.B. Streichholzbriefe. Carl Hanser Verlag. München,
Wien, 1990
Jean Baudrillard: The ecstasy of communication. Übersetzung aus dem
Französischen: 1988, Semiotext(e), published by Autonomedia Brooklyn, New
York.
Michael Heim: The metaphysics of Virtual Reality. Helsel & Roth
1991.