Zweite Welten – Zaubertrank Philosophie

Das faszinierende Konzept von zweiten oder sonstigen Gegenwelten ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst. Der Philosoph und Kulturwissenschaftler Robert Pfaller hat dieser Tage sein neues Buch präsentiert “Zweite Welten. Und andere Lebenselixiere”, S. Fischer Verlag. Auf lustvolle Weise untersucht er darin die Zusammenhänge zwischen unserer “ersten Welt”, dem wirklichen Leben mit allen Mühen und der “zweiten Welt” unserer Wünsche, Träume und Phantasien. Der heutige Mensch steht dem Genuss ratlos gegenüber, ist Pfaller überzeugt; ein Umstand, den er schon in seinem wunderbaren letzten Buch “Wofür es sich zu leben lohnt” höchst überzeugend thematisiert und analysiert. (Siehe auch Delegieren wir unser Leben an virtuelle Welten?)
Das Gebot der Kultur besteht nun darin, uns zu helfen, die Schranken, die wir uns selbst auferlegen, zu überwinden. Die Frage wofür es sich zu leben lohnt ist ein ethischer Akt – man sollte sich die Frage regelmässig stellen, so Pfaller. Wir dürfen uns dabei nicht von der universellen Panik erfassen lassen – ob Panik der Nachhaltigkeit, Kosteneffizienz, Gesundheit, Sicherheit – “Paniken umzingeln uns und verwandeln das Leben in eine vorzeitige Leichenstarre”.

Auch auf dem blauen Sofa der Frankfurter Buchmesse spricht Pfaller über die zweiten Welten, etwa die Träume und deren Stützfunktion für das Leben: “Das entspricht dem aristotelischen Konzept der Katharsis in der Kunst, dass die Kunst oft das Schlechte, Abstossende zeigen muss, damit wir entsprechende Affekte abführen können, damit diese uns nicht in der Wirklichkeit behindern oder wir sie (diese Affekte, Anm.) unbearbeitet in der Wirklichkeit ausagieren müssen. Damit erkennt Aristoteles dem Unguten in der Kunst einen Wert zu”.
Wunderbar die vielen Beispiele dazu im Buch – kulturelle Phänomene, systematische Abhandlungen oder eingestreute Miniaturen – etwa auch die Analyse der TV-Serie “Sex and the City”, aus der Pfaller viel Philosophisches herauszudestillieren vermag – etwa die Figur der Samantha Jones, der emanzipierten Frau, deren zynisches Verhältnis zur Sexualität Pfaller als “Verdeckung” zärtlicher Liebe entlarvt.

Wer sich gern auf höchst genussvolle Art philosophischen Betrachtungen hingibt, ist mit diesem neuen Buch gut beraten und wer das Gefühl des Wartens kennt, das bis zum Erscheinen der nächsten CD des Lieblings-Interpreten die Vorfreude erhält, der wird sich auf ähnliche Weise freuen über diese neuen, spannenden Ausführungen eines Autors, der ausser dem Plädoyer für die eigene “Lebensmelodie” endlich die Lust wiederentdeckt hat – vor allem die Lust an der Philosophie. Beispielsweise daran, die “versteinerten Verhältnisse” (Karl Marx) “zum Tanzen” zu bringen. Und wer weiss, vielleicht erwartet Pfallers Studenten ja bald ein Workshop zum philosophischen Tanz. Es wäre nicht der erste Zusammenhang zwischen Denken und Musik.

Bleiben Sie gespannt, auf diesem Blog könnten Sie zu diesem Themenumfeld auch in Zukunft noch einiges entdecken.

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