Eine bedeutungsvolle Vernetzung: 25 Jahre Computerwelt

Ein leidenschaftlicher Rückblick

25 Jahre „Computerwelt“. Wenn ich sagte, mein gesamtes (berufliches) Leben stünde in gewisser Weise mit diesem Faktum in einem Zusammenhang, so wäre das kaum übertrieben. Auch wenn ich vor 25 Jahren noch völlig unbeleckt und bar jeglicher Digitalentwicklung glücklich war. Doch das sollte sich bald ändern.
Computerwelt. Die Zeitung feiert ihr 25-jähriges Jubiläum. Wenn wir uns heute mit der Zukunft der Computerwelt beschäftigen, dann geht es nicht selten um digitale Beziehungen oder kommende Entwicklungen im Web. Von einem „digitalen Jahrhundert“ ist da etwa die Rede in einem internationalen Konferenzformat namens SIME, das neuerdings mit der SIME Vienna auch in Wien ein Zuhause fand. Ebenso wie die Konferenz TEDxVienna, die MIT Europe Conference, die Enable Konferenz und viele andere Gelegenheiten zum persönlichen interdisziplinären Gedankenaustausch über die Zukunft unserer Gesellschaft.

„IT war früher eine Branche und schafft jetzt die Strukturen, in denen Gesellschaft stattfindet“, so beschreibt der deutsche Blogger und Strategieberater Sascha Lobo schon im Vorjahr das Phänomen WEBciety. Abgesehen von der dramatisch erhöhten Relevanz bedeutet das aber auch eine große Verantwortung, auf die sich nicht oft genug hinweisen lässt.

Worin genau liegt diese Faszination des Digitalen? Abgesehen davon, dass heute niemand mehr dem Phänomen entkommt. Ich kann nicht sagen, wie lange es genau her ist, dass man darunter hässliche Armbanduhren ohne Ziffernblätter mit eckigen rot leuchtenden arabischen Ziffern verstand – es sind gefühlte Menschenzeitalter, die seither vergangen sind. Die Computer der Raumfähre, mit der Neil Armstrong auf dem Mond landete hatten eine geringere Rechenleistung als ein heutiges Handy. Was bedeuten da ein paar Jahre?

Und wer sind die digitalen Vordenker von heute? Nicht mehr Negroponte, Steve Jobs oder Bill Gates heißen sie – auch nicht mehr Tim Berners-Lee oder Ted Nelson. Es sind Menschen, die teilweise nicht bekannt sind in der Öffentlichkeit und man findet sie bei Fachkonferenzen oder im Internet. Wie lauten ihre Themen und Herausforderungen? Und wo liegen Parallelen zu den Themen und Herausforderungen von vor 25 Jahren? Das Antwortfeld, das sich hier öffnet, kann mit einem Artikel und wohl nicht einmal mit einem Buch gefüllt werden. Klar ist, dass wir uns mitten in einer Hochspannungs-Phase befinden, dass es viel zu tun gibt und dass wir eine Menge zu lernen haben.

Im selben Jahr als die „Computerwelt“ zum ersten Mal erschien, 1986, ereignete sich übrigens die Katastrophe von Tschernobyl. Parallelen zur Jetztzeit liegen leider nur allzu offensichtlich auf der Hand. Manchmal genügt eben ein Augenblick um die Geschicke unserer Welt für immer zu verändern.

„Allem Zukünftigen beißt das Vergangene in den Schwanz“ denke ich heute oft, wenn ich in meinem beruflichen Alltag über semantische Technologien nachdenke und schreibe. Wenn der Philosoph Friedrich Nietzsche von der Ewigen Wiederkehr des Gleichen spricht, so ist dieses zyklische Zeitverständnis für ihn die Grundlage höchster Lebensbejahung. „… Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!…“

So buchstäblich „verstaubt“ diese literarische Sprache manch heutigem Ohr klingen mag – ihr Inhalt hat durchaus etwas Tröstliches. Und wie vieles, was heute als unbedingte Innovation verkauft wird – sei es der Haushaltsroboter, das elektronische Papier oder das intelligente Haus – klingt manchem vertraut und ringt ihm vielleicht ein scheinbar abgeklärtes Lächeln ab. Dennoch kann manches vielleicht heute die Welt verändern, wo es vor Jahren noch nicht möglich war. Denn jede Veränderung braucht und hat ihre Zeit.

3. Juni 1996: Jubiläumsausgabe 10 Jahre „Computerwelt“:

DIE FASZINATION DES WANDELS

@ Home is my Castle

Ein Rückblick von Marion Fugléwicz

„Wir gehen ins Hypermorgen. Hyper heißt: Wir überschreiten uns. Die Welt wird mehr, verbundener und tiefer“. Peter Glaser*)

Als im Sommer des Jahres 1987 einige Mitglieder des Hamburger Chaos Computer Clubs sich Zugang verschafften zu über 120 Rechnern, die, wie sie überrascht feststellten, ein riesiges, weltweites Computernetzwerk bildeten, las ich in Wien rein zufällig eine kleine Anzeige in einer mir unbekannten Zeitung, die „Computerwelt“ hieß und einen Redakteur suchte. Wenig später kam ein spektakulärer „NASA-Hack“ in die Schlagzeilen und eine staunende Öffentlichkeit erfuhr erstmals von der Existenz dieser Netze.

Die Katastrophe von Tschernobyl lag schon eineinhalb Jahre zurück, als ich bei der „Computerwelt“ Redakteurin wurde. Auf meinem Schreibtisch stand ein Monitor mit flaschengrünem Bildschirmhintergrund, die weißen Buchstaben darauf sahen – nicht nur für das mittlerweile „multimedial verwöhnte“ Auge – unästhetisch aus und der riesige Kasten unter dem Tisch, der meinen Beinen immer irgendwie im Weg stand und auf den ich meine Handtasche stellte, wurde CPU (Central Processor Unit) genannt.

Es war (nicht nur für mich) eine Zeit der Anfänge, der großen, klobigen Maschinen und dennoch eine Zeit, die der Computerindustrie große Gewinne versprechen sollte. Mein erstes „Schwerpunkt-Thema“, dessen Recherche mir großen Spaß bereitete, lautete „Ergonomie“ und zeigte mir schonungslos auf, daß nahezu jegliches Arbeitsmittel in meiner nächsten Umgebung verbesserungswürdig war – dennoch liebte ich die Atmosphäre der Redaktionsräume; die Hektik, den neuesten Branchenklatsch, das Aufgabengebiet, die KollegInnen.

Ich hatte zu diesem Zeitpunkt ein fast fertiges Philosophiestudium sowie einen Uni-Abschluß für Werbung und Verkauf hinter mir, aber – abgesehen von einigen Erfahrungen als Werbetexterin – kaum berufliche Gewieftheit, geschweige denn Routine. In keiner Lebensphase habe ich je so viel gelernt wie in meiner Zeit als Journalistin und kaum eine Erfahrung meines Lebens empfand ich als so abenteuerlich wie die kontinuierliche Wandlung meiner Einstellung zu Computern: Ich vermeinte diese gräßlichen Maschinen zu hassen, die unberechenbar und kompliziert waren, deren Betriebssysteme und Programme abstürzten und die – so wurde gemunkelt – den Menschen ihre Jobs wegnehmen würden.

Wann es schließlich geschah, weiß ich nicht mehr so genau. Es dürfte in meinem ersten Redaktionsjahr gewesen sein und hatte wohl einen Zusammenhang mit dem Aufkommen „intuitiver Benutzeroberflächen“ und ansprechender Icons, daß ich plötzlich begann, intensivstes Interesse für neue Technologien zu entwickeln; und als ich irgendwann das erste Mal bewußt über den Begriff „Multimedia“ reflektierte, wußte ich, daß ich mein Thema gefunden hatte.

Daß zu diesem Zeitpunkt im Multi-Millionen-Dollar teuren Media Lab, dem Think Tank des MIT (der ebenso wie die „Computerwelt“ heuer seinen 10. Geburtstag feiert) schon konzentriert an Projekten gearbeitet wurde, um „die Zukunft zu erfinden“, war mir damals, vor etwa acht Jahren, nicht bekannt. Zukünftige Formen menschlicher Kommunikation und Unterhaltung wurden dort bereits analysiert, als ich in den Räumen der „Computerwelt“ die Faszination interdisziplinärer Forschungsprojekte entdeckte und im Redaktions-Archiv allen Themen erlag, die mit dem immer lästiger werdenden Modebegriff „Multimedia“ zusammenhingen. Eine Art planetares Gewebe erfasste mich und begann wie ein Klammeraffe @ und dennoch behutsam, mich in seinen Bann zu ziehen. Heute gehört die Vernetzung für mich zu den spannendsten und interessantesten Themen meines Berufs und meines Lebens.

Szenenwechsel.
Zwei Jahre vor der Gründung der „Computerwelt“, im magischen Orwell-Jahr 1984, sind erstmals mehr als 1000 Systeme ans Internet angeschlossen. 1986 geht das amerikanische National Science Foundation Net (NSFNET) in Betrieb. Es verfügt über eine Hauptleitung (backbone) mit einer damals eminenten Übertragungsrate von 56 Kilobit pro Sekunde, die fünf Supercomputer-Zentren miteinander verbindet. Im Herbst 1988 startet der Informatikstudent Robert Morris von einem Terminal an der Cornell-Universität aus ein von ihm verfasstes – an sich harmloses – Wurmprogramm. 48 Stunden später wird der nationale US-Sicherheitsrat einberufen. Das improvisierte Computer Emergency Response Team (CERT) wird später institutionalisiert.

Zur gleichen Zeit wird aus dem 14-tägig erscheinenden Insider-Fachblatt „Computerwelt Österreich“ eine namhafte Wochenzeitung für EDV und Wirtschaft, die am Kiosk von einem breiten Publikum gekauft wird. Auf den roten Wiener Straßenbahnen prangt unübersehbar das „Computerwelt“-Logo, im Rundfunk läuft ein Werbespot.

Schnitt.
Heute gibt es Baudraten von 28.800 bps und höher und Rechner, die – etwa dank leistungsstarker RISC-Prozessoren und Grafikbeschleuniger so gewaltige Datenmengen verarbeiten können, daß sie mit Virtual Reality-Applikationen neue Dimensionen erschließen. Heute hat die „Computerwelt“ über 100.000 Leser. Heute steckt die Welt im Internet-Fieber. Im Jahr 2010 wird es – laut IDC – eine Millarde Internet Anwender geben. Man spricht von einer Revolution im Bereich der Informationsgesellschaft. Revolution bedeutet Bruch mit der Vergangenheit. Nichts allerdings ist so gefährlich für die Zukunft wie das Leugnen der Vergangenheit, auf der sie aufbaut. Ich für meinen Teil möchte keines der letzten zehn Jahre missen und keinen Tag, an dem ich in der „Computerwelt“ etwas gelernt habe. Sie wird immer mein berufliches Zuhause sein. The first cut is the deepest. (Der erste Hacker dringt am tiefsten ins System ein:-)

Happy Birthday und – auf die nächsten zehn Jahre!

*) Aus: Online Universum, Metropolitan Verlag Düsseldorf, 1996. Von meiré und meiré und Peter Glaser. ISBN 3-89623-016-6. Gesehen bei Gerold Neue Medien und Shakespeare & Company, Wien.

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